Die Rolle von Elektromobilität im Grid von morgen. Mit der Batteriekapazität von Elektrofahrzeugen die Schwankungen im Stromnetz ausgleichen.
Erneuerbare Energien unterliegen grossen Schwankungen bei der Erzeugung. So entstehende Überkapazitäten von Wind- und Sonnenkraftwerken müssen zwischengespeichert werden können, um sie bei Bedarf zu nutzen. Dieser Umstand ist einer der wichtigsten und zugleich auch schwierigsten Faktor für eine erfolgreiche Energiewende.
Um gemäss den Energiezielen von der Atomkraft und fossilen Energien, wie Kohle oder Öl, wegzukommen, benötigen wir einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Selbst wenn wir das in vernünftiger Zeit zustande bringen, besteht die Schwierigkeit in der saisonalen Verteilung. Die viele Sonnenergie aus dem Sommer sollte auch im Winter nutzbar sein.
Die Schweiz mit ihren grossen Pumpspeicher-Kraftwerken fungiert im europäischen Stromnetz als “Batterie” für solche Überkapazitäten. Und damit liesse sich (eigentlich) auch gut Geld verdienen. Vereinfacht gesagt: Wenn an sonnigen Tagen viel Strom ins Netz drängt, fällt der Handelspreis in den Keller und für ein Stauwerk lohnt es sich die Pumpen anzuwerfen um Wasser ins obere Becken hochzupumpen. Wenn keine erneuerbare Energie erzeugt wird und der Strom eher knapp ist, steigt der Strom-Handelspreis wieder an. Jetzt können die Generatoren in Betrieb genommen werden. Die kinetische Energie vom fallenden Wasser treibt die Turbinen im Tal an und produziert Strom.
Die Ökostrom-Erzeugung wurde im vergangenen Jahrzehnt massiv ausgebaut. Hält dieser Trend an, könnten die weltweiten CO₂-Emissionen bis 2050 auf fünf Milliarden Tonnen reduziert werden (aktuell ca. 35 Milliarden Tonnen).
Jedoch muss nicht nur die Elektrizität nachhaltiger werden, insbesondere bei der Mobilität – mit ihrem hohen CO2-Ausstoss – muss ein Umdenken stattfinden. Fahrzeuge, die mit (Bio-)Gas oder Wasserstoff betrieben werden, könnten Teil einer nachhaltigen Verkehrszukunft sein. Das grösste Potential sehe ich und viele andere aber in der Elektromobilität.
Mythen der Elektromobilität
Zu wenig Reichweite! Zu lange Aufladedauer! Die CO2-Bilanz ist schlechter als bei einem Verbrennungsmotor! Es ist Zeit mit diesen Mythen zu brechen!
Ein Elektrofahrzeug welches von der eigenen PV-Anlage oder über Ökostrom vom Netz (bietet jedes Energiewerk an, meist nur unwesentlich teurer) geladen wird, hat eine klar bessere Ökobilanz als ein Benzin- oder Dieselfahrzeug. Das Fahrzeug der Zukunft ist emmissionsfrei unterwegs.

E-Carport mit PV-Anlage – Quelle: www.solarcarporte.de
Der jährliche Verbrauch von einem durchschnittlichen Elektroauto beträgt etwa 2400 kWh Strom. Dieser liesse sich mit einer 18 Quadratmeter PV-Anlage problemlos selber erzeugen.
Die Reichweite von aktuellen Elektrofahrzeugen beträgt locker über 200 km. Das reicht bei 99% der Autobesitzer für den Grossteil ihrer Fahrten. Die Wiederaufladung erfolgt zuhause oder zwischendurch an einer öffentlichen Ladesäule. Diese Infrastruktur wird aktuell stark ausgebaut.
Das Auto im Smart Grid
Wie nutzen wir unsere Autos? Viele Leute fahren morgens damit zur Arbeit und Abends wieder zurück, bei den meisten beträgt der Arbeitsweg unter 50 km. Oder es steht vor dem Haus und wird zwischendurch für Kurzstrecken genutzt. Die Batteriekapazität der Fahrzeuge wird selten auch nur bis zur Hälfte beansprucht.
Für die meisten Besitzer einer PV-Anlage ist die Einspeisung in Stromnetz nicht mehr interessant. Wer keine “kostendeckende Einspeisevergütung” (KEV) hat, der kriegt nur noch wenige Rappen pro Kilowattstunde die er ins Netz abgibt. Es ist also wichtig, dass möglichst viel vom eigenen Strom genutzt werden kann. Leider liefert die Sonne den Strom tagsüber, wenn wir ihn am Wenigsten brauchen. Nachts muss dann wieder der teure Netzstrom bezogen werden.
Hier kommen die Speicher ins Spiel. Eine Batterieanlage speichert den tagsüber nicht benötigten Strom und stellt ihn nachts zur Verfügung. Wenn nun noch das Elektrofahrzeug am Hausnetz hängt, bedeutet das viel zusätzliche Speicherkapazität oder die Möglichkeit, die tagsüber geerntete Energie, nachts ins Elektroauto zu übertragen.
Das Stromnetz der Zukunft ist sehr volatil (starke Schwankungen) und muss ständig ausgeregelt werden. Stromspitzen müssen geglättet, Überproduktion muss abgeführt und Engpässe müssen ausgeglichen werden. Dies braucht intelligente Netze (smart grid) und grosse Ausgleichs-Speicherkapazitäten. In der Schweiz ist Swissgrid für das Netzmanagement zuständig.
Die Pumpspeicher dienen im Netz als “Langzeitspeicher”, während Batterien ihre Vorteile in der “Kurzzeitspeicherung” haben. In letzter Zeit sind grosse Batteriefarmen ans Netz gegangen die als rasche Ausgleichung von Netzschwankungen dienen werden. Solche modernen Gross-Speicheranlagen können mehrere dutzend Male in der Minute umschalten von “Batterie laden” zu “Strom ans Netz abgeben”. Die EKZ baut in Zürich aktuell den zweitgrössten Batteriespeicher Europas.

Batteriespeicherkraftwerk – Quelle: EKZ
Eine grobe Berechnung soll das Potential der Fahrzeugbatterien aufzeigen: Nehmen wir an es gäbe 100’000 Elektroautos in der Schweiz und davon hängen 80% stets am Netz. Gehen wir weiter von einer durchschnittlichen Akkukapazität von 40 kWh aus (bei den Tesla-Modellen sind es bis zu 100 kWh!). Reservieren wir für unsere Berechnung eine Kapazität von 40% für den Tagesverbrauch. Damit erhalten wir eine Restkapazität in der Batterie von 24 kWh. Hochgerechnet auf die 80’000 Fahrzeuge am Netz ergibt dies eine Gesamtenergiekapazität von 1’900 MWh (zum Vergleich, das grösste Kernkraftwerk der Schweiz, Leibstadt, hat eine Leistung von 1’250 MW).
Die Rechnung zeigt auf, dass zwar sehr viel Strom benötigt wird um eine Flotte Elektrofahrzeuge zu betreiben, aber auch, dass in Kombination mit einem intelligenten Netz in Zukunft eine grosse Batteriekapazität bei Elektrofahrzeugen zur Netzstabilisierung zur Verfügung steht.
Der Batteriespeicher verdient Geld
Es wird leider noch etwas dauern bis der Elektroautobesitzer seine Speicherkapazität dem Netzbetreiber flexibel zur Verfügung stellen kann. Die Digitalisierung und das Smart Grid müssen noch etwas voranschreiten. Bereits werden aber Geschäftsmodelle diskutiert, bei denen (beispielsweise über eine App) definiert werden kann, wie viel der Batteriekapazität dem Grid zur Verfügung gestellt wird und zu welchem Preis der Storm bezogen, bzw. geladen werden darf.
Ich definiere beispielsweise, dass Strom aus meinen Speichern bezogen werden darf, wenn mehr als 0.2 CHF/kWh bezahlt werden und ich gebe den Speicher frei zur Ladung, sobald der stark variierende Strompreis am Markt die Grenze von 0.05 CHF/kWh unterschritten hat. Der Energiedienstleister darf dann, im Rahmen der von mir definierten Bedingungen, flexibel und nach Bedarf mit meiner Speicherkapazität arbeiten.
Wenn die ganze Abrechnung dann noch über Blockchain (smart contracts) einfach abgehandelt wird, könnten Besitzer vor Batteriespeichern (egal ob im Auto oder im Haus installiert) bald schon einen kleinen Nebenverdienst erwirtschaften und damit die Eigenamortisation beschleunigen.
Übrigens muss der Besitzer auch nicht fürchten, dass er plötzlich mit einem entladenen Elektroauto da steht. Er kann auch angeben, wann er sein Auto vollgeladen benötigt.
Die verflixten Ladezyklen
Einen Wermutstropfen gibt’s jedoch noch. Die verbreitet eingesetzten Lithium-Ionen-Akkus haben den Nachteil, dass ihre Ladekapazität mit der Zahl der Lade- und Entladezyklen stark abnimmt. Um das zu Verhindern ist eine intelligente Steuerung der Lade- und Entladezyklen notwendig und Forschung und Entwicklung sind herausgefordert, bessere Lösungen zu finden. Ich glaube jedoch, dass auch dieses Problem in naher Zukunft in den Griff gekriegt wird. Der Entwicklungsfortschritt lässt sich nicht aufhalten.
Quellen: Süddeutsche Zeitung 17.10.2017 (Michael Neißendorfer), ekz.ch, Tagesanzeiger 10.08.2017, www.solarcarporte.de,